Wenn Sie als privater Bauherr ein Haus errichten wollen, dann haben Sie eine große Verantwortung nicht nur sich selbst, sondern auch Dritten gegenüber. Als Bauherr müssen Sie nämlich im Rahmen der sog. Verkehrssicherungspflicht dafür sorgen, dass von Ihrer Baustelle keine Gefahren ausgehen, die andere in Mitleidenschaft ziehen können. Dies betrifft nicht nur Personen, die mit der Baustelle an sich nichts zu tun haben, sondern auch die auf der Baustelle Beschäftigten.
Begriff der Verkehrssicherungspflicht
Kommt auf einer Baustelle irgendjemand zu Schaden, weil notwendige Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen wurden oder die Baustelle selbst nicht nach außen hin genügend gesichert war, so ist regelmäßig u. a. ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegeben. Allgemein ausgedrückt beinhalten die Verkehrssicherungspflichten, dass „die nötigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen“ sind. Konkret bedeutet dies vor allem die ordnungsgemäße Absicherung der Baustelle. Das an den meisten Baustellen montierte Schild, dass diese nicht betreten werden darf und Eltern für ihre Kinder haften, ist hier nicht ausreichend. Richtet ein nicht deliktsfähiges Kind auf einer Baustelle einen Schaden an und verletzt es sich dabei noch, so haften die Eltern nur im Falle einer Aufsichtspflichtverletzung. Diese ist im Einzelfall oft sehr schwer nachweisbar. Konnte das Kind hingegen die Baustelle betreten, weil diese nicht ordnungsgemäß gesichert war, so haftet die für die Verkehrssicherungspflicht verantwortliche Partei. Eine mangelhafte Baustellensicherung ist in der Regel sehr viel leichter nachweisbar.
Verkehrssicherungspflichten und Verantwortlichkeit
Prinzipiell ist der Bauherr für seine Baustelle verantwortlich. Allerdings wird die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten in den meisten Fällen delegiert. Oftmals ist es alleine der bauausführende Betrieb, der sich verpflichtet, die Verkehrssicherungspflichten auf einer Baustelle zu übernehmen. Schließen Sie einen Werkvertrag ab, dann sollte dieser Punkt unbedingt geregelt sein. Haben Sie als privater Bauherr nämlich die Beachtung der Verkehrssicherungspflichten wirksam delegiert, dann sind Sie Ihrer Verantwortung im Prinzip erst einmal hinreichend nachgekommen. Nur dann, wenn offensichtlich ist, dass die für die Verkehrssicherungspflichten Verantwortlichen dieser Aufgabe nicht nachkommen, müssen Sie handeln. Im Zweifelsfall haben Sie daher noch eine Aufsichtspflicht auszuüben. Deshalb sollten Sie sich nicht nur über den Baufortschritt ein regelmäßiges Bild machen, sondern auch über die Absicherung der Baustelle. Bei größeren Baustellen ist es daher beispielsweise sinnvoll, dass ein Bauleiter oder ein Architekt vor Ort mit der Überwachung der Verkehrssicherungspflichten ausdrücklich beauftragt wird. Wenn Sie dies alles beachten, kann Ihnen bei einem etwaigen Schadensfall niemand einen Vorwurf machen. Voraussetzung hierfür ist natürlich die schriftliche Delegierung der Überwachung und der Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten.
Mangelhafte Sicherungsmaßnahmen auf der Baustelle
Selbst wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten persönlich zu überwachen oder deren Überwachung zu delegieren, bedeutet dies keineswegs, dass Sie jeden Tag kontrollieren müssen, ob die einzelnen Handwerker des bauausführenden Betriebes beispielsweise die Unfallverhütungsvorschriften einhalten.
Die Rechtsprechung ist hier relativ bauherrenfreundlich.
So entschied das OLG Hamm am 21.02.2014 unter dem Aktenzeichen 11 W 15/14, dass sich die grundsätzlich bestehende Verkehrssicherungspflicht eines Bauherrn verkürze, wenn Bauarbeiter mit der Ausführung von Bauarbeiten beauftragt worden sind.
Hintergrund dieser Entscheidung des OLG Hamm war ein Sachverhalt, in dem ein Elektriker auf einer Dachfläche Arbeiten vornahm. Auf dieser Dachfläche befanden sich Lichtfelder aus transparentem Plastik. Der später geschädigte Elektriker trat versehentlich auf ein solches Lichtfeld und stürzte aus einer Höhe von sieben Metern ab. Hierbei kam es zu erheblichen Körperschäden. Das Besondere an diesem Sachverhalt war, dass der Bauherr gesehen hatte, dass der zu Schaden gekommene Elektriker elementare Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen hatte. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Handwerker als Fachmann selbst sicherzustellen habe, bei Ausübung seiner Tätigkeit die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen einzuhalten. Eine Verpflichtung, den Elektriker als Fachmann zur Einhaltung der notwendigen Unfallverhütungsvorschriften zu veranlassen, habe für den Bauherrn nicht bestanden: Der Bauherr habe annehmen dürfen, dass sich der Elektriker aufgrund seiner Fachkompetenz auf eine andere Art und Weise schützen würde.
Bedeutung für die Praxis
Sie als Bauherr sind im Zuge Ihrer Baumaßnahmen Betreiber einer Baustelle. Im Rahmen der Ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten sind auf der Baustelle Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Gefahrenquellen von vornherein auszuschließen. Geschützt werden müssen grundsätzlich alle Personen, die die Baustelle berechtigterweise betreten dürfen. Dies sind in erster Linie die Handwerker, Bauarbeiter, Zulieferer etc. Personen, die sich unberechtigterweise auf Ihrer Baustelle aufhalten, fallen grundsätzlich nicht unter den Schutz der Verkehrssicherungspflichten. Hier gilt ausnahmsweise aber eine sog. erweiterte Verkehrssicherungspflicht gegenüber Kindern. Eine Baustelle hat also so abgesichert zu sein, dass diese von Kindern in ihrer Abenteuerlust nicht ohne Weiteres betreten werden kann. Gegenüber Arbeitern oder Handwerkern, die auf der Baustelle tätig sind und die die ihnen obliegenden Sicherungsbestimmungen auf der Baustelle selbst nicht einhalten, verkürzt sich insoweit die jeweilige Verkehrssicherungspflicht. Die Verkehrssicherungspflichten als solche können zudem grundsätzlich wirksam an den bauausführenden Betrieb delegiert werden, wie es in den Bauverträgen regelmäßig geschieht. Dieser Punkt sollte aber auf jeden Fall vor Abschluss eines Bauvertrages beachtet und geklärt werden.
Hinweis:
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