Der Gedanke, Energie einzusparen, ist nicht neu. Er war in der Vergangenheit jedoch nicht dem Wunsch geschuldet, Energieressourcen zu erhalten und das Klima zu schonen, sondern sollte die Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland von Energieimporten reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 1976 das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) eingeführt. Schon damals wurden die begrenzte Verfügbarkeit der fossilen Energieträger erkannt und Befürchtungen hinsichtlich von Energiepreissteigerungen geäußert. Das Energieeinsparungsgesetz enthält keine Regelungen, die sich unmittelbar auf die Bürgerinnen und Bürger auswirken, sondern bildet die rechtliche Grundlage für die Verabschiedung von Verordnungen. Eine dieser Verordnung ist die Energieeinsparverordnung (EnEV).
Seit dem 01. 11. 2020 wurde mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) ein einheitliches Anforderungssystem für Energieeffizienz und Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebereich geschaffen. Das bis dahin in der EnEV verankerte Anforderungsniveau für Gebäude wurde nicht verschärft.
Grundlagenwissen zur Energieeinsparverordnung
Mit der Energieeinsparverordnung wurden erstmals 2002 die Vorgaben der bisher gültigen Wärmeschutzverordnung und der Heizungsanlagenverordnung gebündelt. Seit der Fassung, die zum 1. Oktober 2007 gültig war, wurde diese Verordnung immer wieder modifiziert, um die Vorgaben der Europäischen Union entsprechend umzusetzen. Der Grundgedanke ist seitdem, für ein Gebäude eine energetische Gesamtbilanz zu erstellen, die es ermöglicht, die Anlagentechnik und den baulichen Wärmeschutz miteinander in Beziehung zu setzen und zu verrechnen. Auf diese Weise können Mängel bei der Wärmedämmung durch eine hochwertige Heizungsanlage ausgeglichen werden. Der maßgebliche Begriff für diese Berechnungen ist der Jahresprimärenergiebedarf, der immer im Vergleich mit einem so genannten Referenzgebäude ermittelt wird, das über die gleichen Abmessungen und technischen Eigenschaften wie das zu bewertende Gebäude verfügen muss.
Der zweite Begriff, der eine zentrale Bedeutung innehat, ist der Transmissionswärmeverlust. Damit ist derjenige Wärmeverlust gemeint, den ein beheiztes Gebäude aufgrund seiner Energieabgabe an die nächste Umgebung erleidet.
Die Ermittlung der energetischen Gebäudeeigenschaften
Mit jeder Änderung der Energieeinsparverordnung und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes wurde das Regelwerk für die Gebäudebewertung immer umfangreicher. Die frühere Wärmeschutzverordnung kam noch mit ca. zehn Seiten aus, heute beanspruchen die Bewertungsvorgaben mehrere hundert Seiten. Die hohe Komplexität sowie der überdurchschnittliche Zeitaufwand führten bei den Personengruppen, die diese Vorschriften anwenden müssen (Bauherren, Architekten, Ingenieure, Handwerker) zu massiver Kritik. Daher wurde eine neue Methode mit der Bezeichnung „EnEV easy- Methode“ entwickelt, die auf Untersuchungsergebnissen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik basiert. Die Fachleute definierten die typischen Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser und benannten zehn marktübliche Heizanlagensysteme. Hierbei wurden Brennwertkessel mit Solarthermiekollektoren, die unterschiedlichen Arten von Wärmepumpen (Luft, Wasser, Sole), Biomassekessel sowie Nah- und Fernwärme einbezogen. Auch ergänzende Maßnahmen wie Wärmerückgewinnung und eine kontrollierte Wohnungslüftung wurden in die Methode integriert.
Die energetische Berechnung anhand des Referenzgebäudeverfahrens ist nur für Fachleute durchführbar. Damit jedoch auch Hausbauer verstehen, worum es überhaupt geht, sollen hier die verschiedenen Energiearten kurz erklärt werden, von denen in der Verordnung die Rede ist:
- Primärenergie
Mit dem Begriff Primärenergie ist die Energiemenge gemeint, die entweder durch fossile oder regenerative Energieressourcen oder auch Kernspaltung zur Verfügung steht (Kohle, Erdöl, Erdgas; Sonnenlicht, Wind, Wasser; Kernenergie). - Endenergie
Bei der Endenergie handelt es sich um Primärenergie, die umgewandelt und zum Endkunden (Verbraucher) transferiert worden ist. Der Verbraucher entnimmt die Energie seinem Hausanschluss. Beispiele für die Umwandlung von Primär- zur Endenergie: Holz zu Pellets, Rohöl zu Heizöl. - Nutzenergie
Die Nutzenergie steht am Ende dieser Kette. Aus dem Heizöl oder den Holzpellets entsteht die Nutzenergie Wärme. Andere Formen der Nutzenergie sind Licht, mechanische Energie (z. B. durch Wasser erzeugt) oder die unter anderem in Batterien vorhandene chemisch gebundene Energie. Wenn End- in Nutzenergie umgewandelt wird, sind Verluste nicht zu vermeiden.
EnEV 2014
Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass es in Deutschland bis zum Jahr 2050 einen fast klimaneutralen Gebäudebestand geben soll. Dabei orientiert sie sich an der „EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (2010/31/EU). Nach dieser Richtlinie hätte die heutige EnEV bereits 9. Januar 2013 gültig sein sollen; aufgrund von Zeitverzögerungen war dies jedoch erst zum November 2013 möglich. Die Mehrzahl der Veränderungen trat zum 1. Mai 2014 in Kraft. Dort wird neben den bereits bekannten Nachweisverfahren nach DIN 4108 mit DIN 4701-10 für Wohngebäude auch das o. g. alternative Verfahren eingeführt. Nur wenige Neuerungen richten sich an die Eigentümer von Bestandsbauten.
Die wichtigsten Änderungen der Energieeinsparverordnung
a) für Bestandsbauten
Grundsätzlich müssen Heizkessel, die entweder vor 1985 in Betrieb gegangen oder bereits älter als 30 Jahre sind, ausgetauscht werden. Für diese Austauschpflicht gibt es jedoch Ausnahmen: Sofern es sich bei diesem Heizkessel um Brennwert- oder Niedertemperaturkessel handelt, die einen hohen Wirkungsgrad haben, müssen sie nicht ausgewechselt werden. Die Austauschpflicht bezieht sich nur auf Konstanttemperaturkessel. Aufgrund dieser Regelung müssen ca. 11 Millionen veraltete Niedertemperaturheizungsanlagen nicht ausgetauscht werden, obwohl sie bei Weitem nicht dem Stand der Technik entsprechen. Eine weitere Ausnahme gibt es für Ein- oder Zweifamilienhäuser, in denen die Eigentümer spätestens am 1. Februar 2002 eingezogen sind.
Alle Regelungen, die sich mit der Sanierung von Bestandsbauten beschäftigen, wurden nicht geändert!
b) für Neubauten
- Die Anforderungen an den Primärenergiebedarf wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2016 um 25 % verschärft. Der Einsatz von erneuerbaren Energien wird hier positiv bewertet.
- Die Anforderungen an die Qualität der Gebäudehülle (Wärmedämmung) wurden ebenfalls zum 1. Januar 2016 um durchschnittlich 20 % erhöht.
c) Energieausweise
- In allen Inseraten, in denen Immobilien zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten werden, muss die Energieeffizienzklasse angegeben werden.
- Die neuen Energieausweise ordnen ein Gebäude einer der Effizienzklassen von A+ bis H zu.
- Die Energiekennwerte basieren nun auf der Wohnfläche und nicht mehr auf der Gebäudenutzfläche. Damit hat sich die Berechnungsbasis verringert, weil indirekt beheizte Räume wie z. B. Flure oder Treppenhäuser nicht mehr in die Berechnung einbezogen werden. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahmeregelung: Sofern für das inserierte Haus ein älterer Energieausweis ausgestellt wurde, der noch keine Energieeffizienzklassen aufweist, muss hierzu auch keine Angabe gemacht werden.
- Miet- oder Kaufinteressenten haben jetzt schon beim Besichtigungstermin das Recht, die Vorlage des Energieausweises zu verlangen.
- Der Vermieter/Verkäufer muss zum Vertragsabschluss eine Kopie des Energieausweises bzw. das Original übergeben.
- Die Bundesländer sollen für Stichprobenkontrollen der Energieausweise und der Überprüfung von Klimaanlagen Inspektoren einsetzen. Sofern diese dem Hauseigentümer Ordnungswidrigkeiten gemäß § 27 EnEV nachweisen können, drohen je nach Vergehen Bußgelder von bis zu 15.000 EUR. Allerdings können Hausbesitzer den Inspektoren den Zutritt zu dem Wohngebäude verweigern, ohne dass diese darauf bestehen können.
Fazit:
Die Veränderungen, die im Vergleich zur vorangegangenen Fassung der EnEV aus dem Jahr 2009 vorgenommen wurden, sind nicht so umfangreich und gravierend ausgefallen, wie viele befürchtet haben. Die meiste Kritik von Energieexperten und Baufachleuten bezieht sich vor allem auf die Ausnahmen, die für den Austausch veralteter Heizkessel gelten. Nicht wenige Fachleute bezeichnen daher die EnEV 2014 als „zahnlosen Tiger“. Für den baufachlichen Laien sind die Vorschriften insgesamt nur schwer durchschaubar. Daher sollte in jedem Fall ein Architekt, Bauingenieur oder ausgewiesener Energieberater bei Neubauten oder Sanierungsprojekten für die Beurteilung hinzugezogen werden. Nur so kann erreicht werden, dass nicht nur die rechtlichen Vorgaben eingehalten, sondern durch eine effiziente energetische Planung auch die Energiekosten dauerhaft gesenkt werden.
Mythen und Missverständnisse
Wer heutzutage baut, kommt an der Energieeinsparverordnung (EnEV) nicht vorbei. Doch über das, was sie tatsächlich vorschreibt, sind falsche Vorstellungen im Umlauf. Erfüllen nur noch Wärmepumpen oder bestimmte Dämmungen die Vorgaben? Sind Lüftungsanlagen zwingend vorgeschrieben? Ist der Wandaufbau eines bestimmten Anbieters die einzig wahre Lösung zur Erfüllung der EnEV-Vorgaben? "Die aktuelle EnEV 2014 ist prinzipiell systemneutral und systemoffen", erklärt Dipl.-Ing. Marc Förderer, Bauherrenberater beim Bauherren-Schutzbund e.V. (BSB). Sie verpflichte zwar zur Anwendung bestimmter Normen und Berechnungsregeln, bestimmte Baustoffe oder Anlagentechniken schreibe sie aber nicht vor, so Förderer.
Entscheidend sind Gesamtenergiebedarf und Wärmeverluste
Zwei Kennwerte sind in der Nachweissystematik besonders wichtig: Der Primärenergiebedarf (QP) und der Transmissionswärmeverlust (HT), die beide gegen ein definiertes Referenzgebäude zu vergleichen sind.
- Primärenergiebedarf
Der Primärenergiebedarf beschreibt den gesamten Energiebedarf eines Gebäudes. Zu berücksichtigen ist dabei ein sogenannter Primärenergiefaktor, der je nach Energieträger unterschiedlich ist, bei Gas etwa 1,1, bei Holz 0,2, bei Solarenergie 0,0 oder bei Strom 1,8. Darin abgebildet sind auch Energieverbrauch und Umweltbelastung für Erzeugung, Transport etc. - Transmissionswärmeverlust
Der Transmissionswärmeverlust benennt die Energieverluste über die gesamte Hüllfläche des Hauses nach außen, also über Dach, Außenwand, Fenster, Kellerwände etc.
Vorgaben für den Neubau sind grundsätzlich systemoffen
Wie die EnEV-Ziele erreicht werden, lässt der Gesetzgeber offen.
- Hausbau ohne Außendämmung?
Es kann auch heute noch ohne Außendämmung gebaut werden, wenn die Wechselbeziehung zwischen Anlagentechnik und Gebäudehülle entsprechend ganzheitlich geplant sind. - Einbau einer Gasheizung?
Und auch eine Gasheizung ist heute noch einsetzbar, wenn dafür andere Komponenten verbessert werden, zum Beispiel durch bessere Dämmung, Einbindung einer Solaranlage und Nutzung einer Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. - Muss es eine Wärmepumpe sein?
Die Wärmepumpe ist keine Pflicht, wird aber empfohlen, weil sie durch die Verbesserung des Primärenergiefaktors für Strom von 2,4 auf 1,8 gut bewertet wird.
Grundsätzlich wird das Wohnhaus in Gänze betrachtet. Einzelne Komponenten können die Referenzvorgaben der EnEV erfüllen. Ob dies dann aber für das gesamte Gebäude der Fall ist, ergibt sich aus der Bilanzierung und Bewertung aller Komponenten. Es ist daher, ohne eine Wärmebedarfsberechung zu erstellen, nicht mehr möglich, pauschal die Wirkung der einzelnen Komponenten für die Beheizung und Warmwasseraufbereitung vorauszusagen.
Die Zukunft des Bauens
Bis Ende 2020 sollen alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sein, also Häuser mit sehr hoher Gesamtenergieeffizienz und einem Energiebedarf nahe Null. Dipl.-Ing. Marc Förderer vom Bauherren-Schutzbund e.V. (BSB) benennt aktuelle Trends zur Erreichung dieses Ziels: zum Beispiel dezentrale Energieversorgungssysteme auf Basis erneuerbarer Energien, Kraft-Wärme-Kopplung, Fern-/Nahwärme und Wärmepumpen. Unter der Maxime "die günstigste Kilowattstunde ist die, die wir nicht verbrauchen" gibt es auch Überlegungen, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und die EnEV stärker zu verzahnen. Auch dies wird Neubauten betreffen.