Die Rolle des Sachverständigen im Baurecht kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, da das Baurecht nicht nur rechtlich ziemlich komplex ist, sondern auch hohe Anforderungen an den bautechnischen Sachverstand stellt. Da nur Sachverständige über fundierte Fachkenntnisse verfügen, beruhen die meisten gerichtlichen Entscheidungen daher auf den Ausführungen eines Sachverständigengutachtens.
Die Beweismittel der Zivilprozessordnung (ZPO)
Die Stellung des Sachverständigen im Allgemeinen lässt sich bereits der ZPO entnehmen. Die ZPO kennt fünf Beweismittel:
- den Zeugenbeweis,
- den Augenscheinbeweis,
- den Urkundenbeweis
- die Parteivernehmung sowie
- den Sachverständigenbeweis.
Der Sachverständige kann als Zeuge auftreten, durch seine urkundlichen Ausführungen für einen Urkundenbeweis sorgen und als Sachverständiger geladen werden. Was für den Sachverständigen im Allgemeinen gilt, gilt natürlich für den Bausachverständigen im Besonderen.
Der Sachverständige als Zeuge
Wenn Sie als Bauherr einen Baumangel feststellen, dieser bestritten wird und zudem dessen Ursache noch nicht geklärt ist, sind Sie auf einen Sachverständigen angewiesen. Nur er kann die wichtigsten Fragen beantworten: Liegt überhaupt ein Mangel vor? Wer hat ihn zu vertreten, und wie hoch sind die Kosten für die Mängelbeseitigung? Wenn Sie nun zur Klärung dieser Fragen ein Privatgutachten in Auftrag geben, also einen Sachverständigen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens oder außerhalb einer richterlichen Anordnung beauftragen, kann dieser in einem sich eventuell anschließenden Gerichtsverfahren nur als sachverständiger Zeuge fungieren. Dies liegt daran, weil in diesem Fall der Sachverständige nicht als ein unabhängiger Sachverständiger beauftragt worden ist. Den mündlichen Ausführungen eines unabhängigen Sachverständigen kommt letztendlich ein höheres Gewicht zu. Das Parteigutachten eines abhängigen Sachverständigen ist lediglich ein streitiger Sachvortrag und wird daher von den Beklagten zumeist auch bestritten. Sehr wohl kann der sachverständige Zeuge vor Gericht für seine Partei den Zustand einer Sache darlegen. In Folge der fachlichen Kompetenz eines versierten Gutachters kommt dessen Zeugenaussage immer noch eine hohe Bedeutung zu. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist die Zeugenaussage des Bausachverständigen von dem zuständigen Gericht dann dementsprechend zu werten.
Der Urkundenbeweis
Die gutachterlichen Ausführungen eines Bausachverständigen können natürlich auch jederzeit durch Urkundenbeweis in das gerichtliche Verfahren einbezogen werden. Das sachverständige Parteigutachten ist eine Privaturkunde, deren Inhalt gleichfalls im Rahmen der dem Gericht obliegenden freien Beweiswürdigung zu bewerten ist. Aufgrund der hohen Fachkompetenz eines Bausachverständigen wird dessen gutachterlichen Ausführungen innerhalb eines Urkundenbeweises grundsätzlich ebenfalls eine hohe Bedeutung zugemessen.
Der Beweis durch den unabhängigen gerichtlich bestellten Sachverständigen
Einen noch höheren Stellenwert haben die Ausführungen eines durch das Gericht bestellten unabhängigen Sachverständigen. Er kann bereits außerhalb eines anhängigen Bauprozesses von dem für das Hauptsacheverfahren zuständigen Gericht im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens bestellt werden. Daher folgender Tipp: Es sollte grundsätzlich kein teures Parteigutachten in Auftrag gegeben werden, einfacher ist ein Antrag im selbstständigen Beweisverfahren, da ein vom Gericht bestellter Gutachter unabhängig ist. Bestätigt dieser die Beweisfragen, kommt es oft erst gar nicht zu einem Prozess, weil die Gegenseite einlenkt.
Kommt es dennoch zu einem gerichtlichen Verfahre, stehen die Chancen, in diesem Verfahren zu siegen, sehr hoch. Dies gilt natürlich auch, wenn im Laufe eines Verfahrens ein Sachverständiger von dem zuständigen Gericht bestellt wird und dieser im Sinne des Bauherren, also des Klägers, die Beweisfragen beantwortet. Aber was macht denn eigentlich die besondere Stellung eines unabhängigen Sachverständigen aus? Im Gegensatz zu der Stellung eines unabhängigen Gutachters wird dem abhängigen Sachverständigen eine gewisse Nähe zu den Bauherren unterstellt. Der unabhängige Sachverständige hat das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen; er ist im besten Sinne des Wortes neutral. Damit steht er zwischen den Parteien; seinen Ausführungen kommt daher oftmals mehr Gewicht zu. Deshalb darf der vom Gericht bestellte Sachverständige als Gutachter zu keiner der Parteien irgendwelche nähere geschäftliche oder persönliche Beziehungen haben. Andernfalls kann er wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, da der unabhängige Sachverständige in erster Linie als Hilfestellung für das Gericht tätig ist. Auf seinen Ausführungen basiert das zu fällende Urteil. Daher ist und muss dessen Stellung unabhängig und neutral sein.
Fazit:
Dem Bausachverständigen kommt eine herausragende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen unabhängigen Sachverständigen handelt. Sie als Bauherr können sich dies schon außergerichtlich zu Nutze machen, indem Sie zum Beispiel einen Antrag auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens stellen. Der dann vom Gericht zu bestellende Gutachter ist neutral und unabhängig. Dessen Gutachten kann dann in einem etwaigen folgenden Bauprozess als Urkundenbeweis in das Verfahren eingeführt werden.